Trotz des schweren Schicksals, trotz unserer ernsten Themen, blicken wir auf eine Familienkonferenz, die sich vor allem durch eine sehr gute Stimmung auszeichnete.

29 Familien aus vier Ländern und 14 Referenten, Ärzte, Wissenschaftler und andere Experten trafen sich wie jeden Herbst im Maritim-Hotel von Würzburg für ein dreitägiges Austausch- und Konferenz-Wochenende. Neben Deutschland waren Familien aus der Schweiz, Österreich und Dänemark dabei. Insgesamt über 130 Personen im Kampf gegen Tay-Sachs und Sandhoff und GM1. Es geht aber auch darum, das Leben mit der Krankheit zu verbessern. So lag ein Schwerpunkt dieses Jahr auf den psychischen Belastungen, die die Krankheit in die Familien bringt. Sowohl bei den betroffenen Patienten als auch bei den Angehörigen.

Psychische Belastungen als Schwerpunkt

Prof. Jürgen Deckert

Sehr begehrt: Unser Logo als Fotowand

So hatten wir mit Professor Jürgen Deckert einen renommierten Psychiater gewinne können, der viele Jahre die Psychiatrische Universitätsklinik in Würzburg geleitet hat und jetzt als Seniorprofessor uns gerade bei den psychischen Problemen unserer adulten Patienten wissenschaftlich unterstützen möchte. In einem Workshop tauschte er sich intensiv mit unseren adulten Patienten und deren Familien aus. In seinem Vortrag „Burnout-Prophylaxe: Die richtige Balance finden“ gab er allen wertvolle Tipps, wie man Überlastungssituationen rechtzeitig erkennen und vermeiden kann. Eine große Rolle bei generalisierten Angsterkrankungen spiele die lang anhaltende Sorge über das Wohlergehen anderer. Eine Sorge, die unsere Familien nur allzu gut kennen.

Fünf Familien waren dieses Jahr zum ersten Mal dabei und hatten teilweise ihre Diagnose erst vor Kurzem erhalten. Schon am Donnerstag Abend wurden einige von ihnen herzlich in unsere Gemeinschaft aufgenommen. Am Freitag gab es für sie und alle anderen Interessierten dann eine erste Einführung in die Krankheit von Dr. Laila Arash-Kaps und  Mendoza Rios. Anschließend stellten Birgit Hardt und Sonja Hasemann unseren Verein und seine Aktivitäten vor.

Und dann ging es auch schon los mit unserem Schwerpunktthema. Unser „Goldstück“ des Vereins, Pflegeberater Markus Oppel, hat sich viele Gedanken zu den Themen Achtsamkeit und Selbstfürsorge für pflegende Angehörige gemacht und ganz konkrete Tipps im Gepäck. Aber auch seine individuellen Aromatherapien zum Stressabbau fanden viel Interesse.

Nicht nur gute Nachrichten

Prof. Andreas Hahn

Im medizinisch-wissenschaftlichen Teil erläuterte Prof. Andreas Hahn von der Uniklinik Gießen den aktuellen Stand der Studien zu unseren Krankheiten. Er erläuterte noch einmal die  Hintergründe, die zum Abbruch der Amethist-Studie (Venglustat) führten, obwohl  eine deutliche Reduktion der Biomarker GL-1 und lysoGL-1 im Nervenwasser gemessen wurde. Aber die klinischen Endpunkte seien nicht erreicht worden. Insbesondere habe es im dem Teil der Studie mit den erwachsenen Probanten keine signifikanten Unterschiede in den untersuchten Parametern gegenüber der Placebogruppe gegeben. Darum wurde dieser Arm der Studie sofort beendet, im 2. Arm mit den Patienten der juvenilen Form bestehe die Möglichkeit im Rahmen eines Post-Trial-Access-Programms die Behandlung erst einmal fortzusetzen. Birgit hatte bei der Einleitung bereits in Frage gestellt, ob nicht das Studiendesign falsch gewählt sei und welchen Sinn Placebostudien bei so seltenen Erkrankungen machen.

Dr. Christian Freitag von „Azafaros“ im Gespräch mit Birgit Hardt

Bessere Nachrichten hatte Prof. Hahn  zur geplanten Phase-II-Studie zu Nizubaglustat der Pharmafirma Azafaros. Sie war auch durch ihren medizinischen Direktor Dr. Christian Freitag vertreten, der uns für Fragen zur Verfügung stand. Die Phase-II-Studie soll spätestens im 2. Quartal 2025 auch in Deutschland beginnen. Abschließend gab Prof. Hahn noch einen Überblick über die von Intrabio durchgeführten Studien mit L-Acetyl-Leucin, dem eine stabilisierende Wirkung an den Nervenzellmembranen zugerechnet wird. Nun wurde es von der FDA für Niemann-Pick unter dem Namen Aqneursa zugelassen. Allerdings hat es auch für GM2 Phase II-b-Studien gegeben.

Spannende Grundlagenforschung

Dr. Eugen Mengel

„Grundlagenforschung und Zukunftsmusik“ nannte Dr. Eugen Mengel seinen Vortrag zur Forschungslage bei GM1 und GM2. Ebenfalls für Niemann Pick C sei Arimoclomol zugelassen worden, dass er als Technisches Hilfswerk der Zelle beschrieb. Und diese Funktion sei nicht auf Niemann-Pick, Typ C beschränkt. Eine andere Grundlagenforschung sei die an Aloxistatin und ähnlichen Substanzen, die er Friends 1 und 2 nannte. Die Wirkstoffe können die Aktivität des Proteasomes reduzieren. In Tiermodellen konnten sie GM1 in den Zellen reduzieren. Eine weitere sehr spannende und faszinierende Forschung sei die zu den „Genetic Modifers“ Hier würden Gene identifiziert, die andere, Krankheiten auslösende Gene unterdrücken könnten.

Dr. Ali Tunc Tuncel

Dr. Ali Tunc Tuncel von der Uniklinik Heidelberg widmete sich dem Thema Neugeborenen-Screening und wie er die Chancen einer Ausweitung auch auf unsere Krankheiten sehe. Da seien noch einige medizinische, rechtliche und ethische Hürden zu nehmen. Tuncel zeigte mit einer kleinen Umfrage, dass in unserer Gruppe zwar die Mehrheit für ein Neugeborenen-Screening auf GM1 und GM2 stimmen würde, dass es aber auch Bedenken gebe, etwa ob die Eltern eine Kleinkindes schon wissen sollten dass ihr Kind im Erwachsenalter an Tay-Sachs oder Morbus Sandhoff erkranken könnte.

Gemeinsames Forschungsprojekt

Dr. Eugen Mengel gab ein Update unserer gemeinsamen 8-in-1-Register- Studie. Der 8-in-1-Score wurde entwickelt, um den Schweregrad der Krankheit zu beschreiben. Die Studie untersucht, wie die Krankheit bemerkt werde: Was bemerken die Eltern – was stellen die Ärzte fest? Was bedeutet eine verzögerte Diagnose? Zudem werde der Verlauf der Krankheit, die Unterschiede zwischen den Subtypen und die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der 8 Gangliosidosen untersucht. Mittlerweile sind 78 Patientinnen und Patienten in der Studie.

Mit unserem neuen Projekt „PRADO“ (PRojekt ADult Onset) werde in Zusammenarbeit mit „Hand in Hand“ ein neuer Unterarm der Studie geschaffen, der den Zusammenhang zwischen Kleinhirnfunktion und Psyche analysiert, Frühzeichen einer Psychose erkennen und Behandlungsmöglichkeiten ausloten solle. Aber auch überprüft, welche Psychopharmaka in der Vergangenheit hilfreich waren.  Ein wichtiges Projekt, um herauszubekommen, warum bei einigen adulten Patienten psychische schlechte Episoden auftreten und wie man sie ggf. im Vorfeld vermeiden kann.

Leben mit der Krankheit

Reger Andrang am Glücksrad. Hier konnten nicht nur die Kinder gewinnen.

Zum Thema „Leben mit der Krankheit“ berichteten Markus Oppel und unser Sozialanwalt Philip Koch über Teilhabe an Mobilität und informierten über die Neuerungen bei der Außerklinischen Intensiv- und der häuslichen Kindekrankenpflege. Anschließend standen sie für persönliche Beratungsgespräche bereit. Einem ganz neuen Thema widmeten wir uns mit dem Behindertentestament. Gerade mit einem behindertem Kind, gilt es Vorsorge für alle Fälle zu treffen, damit das Kind in jedem erdenklichen Fall gut und ausreichend versorgt wird. Michael Popp von der Sparkasse Mainfranken teilte hierzu und zu dem Thema Stiftungen ein paar wertvolle Erfahrungen aus seinem Alltag mit uns und mahnte, das Thema nicht zu vernachlässigen.

Workshop für Jugendliche und junge Erwachsene

In Workshops und erstmalig auch an runden Tischen konnten Eltern und Patienten dann in den direkte Austausch mit unseren Referenten gehen. So konnten wir zielgenau auf die Interessen unserer Familien und Patienten eingehen. Es gab Workshops für Erwachsene, Jugendliche und Kinder. Unsere Trauerbegleiterin Melanie Mende leitete eine Gesprächsrunde für Eltern, die ihr Kind an die Krankheit verloren haben. Sonja Hasemann moderierte einen Tisch zur Vereinsarbeit, an dem vor allem Ideen für unser zehnjähriges Jubiläum im nächsten Jahr gesammelt wurden.

Auf dem Rad Spenden gesammelt

Spendenübergabe mit Jörg Richter

Bei der Mitgliederversammlung des „Hand in Hand e.V.“ begrüßten wir dann auch unseren Radler Jörg Richter, am Wochenende der Konferenz von seiner Spendentour rund um die Schweiz zurück kam und uns symbolisch über 2700 Euro an Spenden überreichte. Zusammen mit den auf dem Konto eingegangenen Spenden, hat er mit seiner Tour 2024 die 3000-Euro Marke geknackt. Dafür ein ganz herzliches Dankeschön. Wofür wir Spenden wie diese gut gebrauchen können, erläuterte Dr. Eugen Mengel, der einen Finanzierungsplan der PRADO-Studie vorstellte an dem sich unser Verein, wie auch an der 8-in-1-Studie beteiligen wird.

In der Kinderbetreuung kamen auch unsere jungen Teilnehmer voll auf ihre Kosten.

Besonders freuten wir uns, dass alle neuen Familien dankbar ihr Kommen auch im nächste Jahr ankündigten und uns in unserer Arbeit bestätigten, die ihnen sehr geholfen habe. Wichtig war aber auch, dass unsere Gruppe, die längst zu einer Art zweiten Familie geworden ist, alle Neuen sehr emphatisch und liebevoll aufnahm, wir alle uns schnell symphatisch waren und zusammen gehörig gefühlt haben. Das gemeinsame Schicksal schweißt auf ganz besondere Art zusammen, das Verständnis ist da, was viele Familien im Alltag vermissen. Und das ist das wichtigste an unserem Verein und unseren Treffen. Niemand muss mit dem Schicksal einer so schweren Erkrankung mehr alleine bleiben.

Unsere Sponsoren

Dies ermöglichen uns auch die vielen Sponsoren, die auch in diesem Jahr dafür sorgten, dass wir dieses Treffen abhalten konnten und von den Familien einen Eigenbeitrag verlangen konnten, der es jedem, ermöglichte, teilzunehmen.

ZaPPaloTT bei seinem Auftritt

Und auch unsere Kinder und Jugendlichen kamen voll auf Ihr Kosten. Im Kinder- und Jugendtreff wurde unter professioneller Anleitung von „Spiel und Spaß“ gebastelt und gespielt. Höhepunkt aber war der Auftritt des Zauberers ZaPPaloTT, der seine Comic-Helden noch einmal aus dem Comic-Heft steigen ließ. Am Freitag Abend konnten Kinder und Erwachsene am Glücksrad viele Spiele und anderes nützliches gewinnen. Alle Gewinne waren vom Bundeverband Kindehospiz unserem Verein zur Verfügung gestellt worden. Außerdem gab es wieder viele selbstgemachte Geschenke und Selbstgenähtes, wie Taschen, Nackenkissen, Kleidchen und andere nützliche Sachen in Petras Nähstübchen.

Hier findet Ihr unser komplettes Programmheft der Familienkonferenz 2024: Programmheft 2024 final

Danke unseren Sponsoren

 

Und hier noch ein paar Bilder: