Neue Hoffnung und viele Emotionen
19 von Tay-Sachs und Sandhoff betroffene Familien aus acht Ländern kamen vom 3. bis 6. Juni ins Disneyland bei Paris. Um sich wieder zu sehen, um sich kennen zu lernen und auszutauschen, um sich gegenseitig zu unterstützen, um wichtige Tipps zu bekommen und um den neuesten Stand der Forschung an Tay-Sachs und Sandhoff zu erfahren. Professor Timothy Cox aus Cambridge kündigte schon im Vorfeld an, neue Erkenntnisse mitzubringen. Und er enttäuschte die Familien nicht.
Der erste Tag aber gehörte zunächst einmal ganz den Kindern, egal ob krank oder gesundes Geschwisterkind. Es galt die Disney-Parks zu erobern. Große Paraden, Shows, Fahrgeschäfte, die Disneyfilmen nachempfunden sind, und natürlich die Disneyfiguren selbst sorgten für jede Menge Spaß und Unterhaltung.
Dieser Tag soll ganz bewusst ein Höhepunkt des Jahres sein. Für die kranken Kinder aber auch für ihre gesunden Geschwister, die oft genug zurückstecken müssen. Der Tag endete mit einem ersten Zusammentreffen aller teilnehmenden Familien in einem Dschungelrestaurant. Da galt es, Wiedersehen zu feiern, neue Familien freudig zu begrüßen, es gab viele schöne, aber auch traurige Momente. Denn manche Kinder hatten seit dem letzten Treffen Fähigkeiten verloren, andere konnten gar nicht mehr teilnehmen.
Für uns, Birgit und Folker von Hand in Hand Deutschland, war Paris noch aus einem anderen Grund ein sehr emotionales Treffen. Nahmen wir doch 2014 auf Einladung der österreichischen Selbsthilfegruppe erstmalig an einem solchen Treffen teil – damals noch als einzige deutsche Familie. Im Anschluss gründeten wir selbst Hand in Hand gegen Tay-Sachs und Sandhoff in Deutschland als Selbsthilfegruppe, um alle deutschen Familien zusammenzuführen, ihnen die Teilnahme an solchen Treffen zu ermöglichen und um Gelder für die Forschung zu sammeln.
Nachdem wir selbst 2015 das Familientreffen in Günzburg organisiert hatten, kamen wir nun wieder nach Paris. Nicht allein, sondern mit drei weiteren betroffenen Familien aus Deutschland, der interessierten Mama eines GM-1-Kindes und mit Dr. Laila Arash-Kaps von der Villa Metabolica in Mainz, einer sehr engagierten Ärztin der Neuropädiatrie, die unsere Selbsthilfegruppe medizinisch berät und begleitet.
Für den ersten Konferenztag hatten wir uns dieses Jahr das Thema Ernährung gewählt. Diätexperten, Logopäden und Ernährungsspezialisten für Kinder berichteten von der richtigen Ernährung bei Tay-Sachs- und Sandhoff-Kindern, wie Schluckbeschwerden am besten begegnet wird und welche Hilfsmittel es gibt. So erfordern etwa die Anti-Epileptika, die viele unserer Kinder brauchen, zusätzliche Vitamine und Nähstoffe. Es ging um die ketogene Diät und viele weitere nützliche Tipps zum Thema Nahrung und Nahrungsaufnahme. Wir werden alle relevanten Informationen für unsere Webseite aufbereiten.
Dann kam der mit Spannung erwartete zweite Tag der Konferenz. Begona Cachon Gonzalez, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Professor Timothy Cox, Timothy Cox selbst und Mario Codero von der Universität Sevilla berichteten vom Stand ihrer Forschung. Im Addenbrookes Hospital der Universität Cambridge wird seit 18 Jahren von Professor Cox und seinem Team an Tay-Sachs und Sandhoff geforscht. Seit vielen Jahren auch an einer Gentherapie, die die Krankheit stoppen und — rechtzeitig angewendet — nahezu heilen könnte. 2015 gab es einen herben Rückschlag, weil die entwickelten Vektoren unerwünschte Nebenwirkungen zeigten. Inzwischen sind neue Vektoren gefunden, die die bekannten Nebenwirkungen nicht aufweisen. Sie werden aktuell im Labor und an erkrankten Tieren getestet. Die Gentherapie ist also wieder auf einem guten Weg.
Professor Timothy Cox hatte weitere gute Nachrichten im Gepäck. Eine Möglichkeit, den Krankheitsverlauf zu bremsen, sind so genannte Substrathemmer. Das heißt, die durch den Gendefekt nicht verstoffwechselbaren Stoffe (bei Tay-Sachs und Sandhoff Ganglioside) werden durch das Medikament schon im Vorfeld reduziert. Bislang gibt es hier den Wirkstoff Miglustat, der für Gaucher und Niemann-Pick zugelassen ist und im Off-Label-Use-Verfahren auch bei Sandhoff und Tay-Sachs Anwendung findet. Neben teils unerfreulichen Nebenwirkungen hat er den Nachteil, nur teilweise die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden.
Nun aber wurde ein bereits für Morbus Gaucher zugelassener Wirkstoff Eliglustat weiterentwickelt zu der chemischen Verbindung namens Ibiglustat. Das sensationelle: Ibiglustat überwindet die Blut-Hirn-Schranke und wirkt deshalb dort, wo die Krankheit die meisten Schäden verursacht – im Kleinhirn. Allerdings stehen die Forscher noch am Anfang seiner Entwicklung zu einem Medikament. Nebenwirkungen, Verträglichkeiten, und die tatsächliche Wirkung müssen weiter erforscht werden. Immerhin gibt es bereits ein Pharmaunternehmen, das den Wirkstoff zu einem Medikament entwickeln will. Wir hoffen, dass Forschung und Entwicklung am Ende nicht am Geld scheitern. Die Krankheiten sind nun einmal sehr selten.
Und noch eine wichtige Information aus dem medizinischen Bereich gab es. Professor Cox und sein Team berichteten über einen Behandlungserfolg mit Pyrimethamin. Ein Wirkstoff, der zumindest teilweise die Ablagerungen in den Zellen entfernen könne. Allerdings wirke er nicht bei jedem Betroffenen, aber eine Hautbiopsie könne klären. ob er für den jeweiligen Patienten infrage komme.
Zum Schluss wurde es noch einmal sehr emotional. Ken Bihn, der Gründer der amerikanischen Selbsthilfegruppe gegen Tay-Sachs, Sandhoff und GM1 nahm erstmalig an der europäischen Familienkonferenz teil. Seine Tochter starb 2014 im Alter von 14 Jahren an juvenilem Tay-Sachs. Seine Frau und seine gesunde Tochter waren in Paris dabei. Ken appellierte sehr eindringlich an die europäische Gemeinschaft: „Wir müssen gemeinsam gegen diese schrecklichen Krankheiten kämpfen, andere werden es nicht tun. Wir müssen unsere Geschichten erzählen.
Die betroffenen Kinder kommen nicht zu besonderen Eltern, aber machen ihre Eltern zu besonderen Menschen. Und sie geben uns jeden Tag die Kraft und die Motivation, gegen Tay-Sachs und Sandhoff zu kämpfen.“ Mit Ken und seiner Familie kann die europäische Community noch internationaler und schlagkräftiger werden. Und zum Schluss berichtete Allie Colaco aus den USA, wie ihr an Tay-Sachs erkrankter Bruder sie ermutigte, Biologie zu studieren, um an Tay-Sachs zu forschen. Heute arbeitet sie in Oxford an Biomarkern für Tay-Sachs und Therapiemöglichkeiten für die sehr ähnliche Krankheit Niemann-Pick Typ C.
Wir danken der britischen CATS-Foundation (Patricia und Dan Lewi) für die vorzügliche Organisation dieser 4. ETSCC-Familienkonferenz. Wir danken allen Referenten und den Sponsoren, die diesen so wertvollen Austausch mit ermöglicht haben. Und wir danken Dr. Laila Arash-Kaps, die für unsere Selbsthilfegruppe und allen betroffenen deutschen Familien diese Konferenz begleitet und wichtige Impulse mitgenommen hat.
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