17 Familien kamen zum 2. deutschen Familientreffen. Ein Wochenende voller Emotionen und vielen wichtigen Informationen. Unser Verein und seine Familien begrüßten Prof. Sandhoff, Dr. Mengel, Dr. Bremova und Prof. Martini zum Meinungsaustausch.
Viele Informationen und noch mehr Emotionen: 17 von Tay-Sachs und Sandhoff betroffene Familien trafen am 2. Oktober-Wochenende in Würzburg auf Forscher, Ärzte und Therapeuten. Unser Verein hatte eingeladen und 20 Familien sagten zu. Drei mussten leider wieder absagen, weil es ihren Kindern nicht gut genug für die Fahrt nach Würzburg ging. Das Wichtigste an diesen Treffen ist der Austausch unter den und die große Gemeinschaft der Familien. „Das ist hier wie eine zweite große Familie“, sagte eine betroffene Mutter am Schluss. Für uns als Veranstalter war es besonders schön zu sehen, wie schnell unsere neuen Familien in die Gemeinschaft aufgenommen wurden. Wir haben alle dasselbe oder ein sehr ähnliches Schicksal. Wir sprechen dieselbe Sprache, haben dieselben Gefühle, Schmerzen und Hoffnungen und wissen zu gut, dass es eben nicht nur solche schönen Treffen gibt, sondern auch den Alltag mit der Krankheit. Diesen Alltag jeden Tag ein bisschen besser zu bewerkstelligen, auch das können wir nur voneinander lernen.
Schön war es deshalb auch, das Treffen mit einigen Familien bei einer gemeinsamen Stadtführung bei herrlichem Wetter zu beginnen.
Ein großes Hallo und Hola gab es am Abend des ersten Tages in der Fränkischen Weinstube beim Welcome-Dinner. Und es kamen nicht nur Gäste aus Deutschland. Zum zweiten Mal nahm die Familie Cia aus der Schweiz an unserem Treffen teil, die neben ihrer besonders ermutigenden Art mit der Krankheit umzugehen, obwohl beide Töchter an Morbus Sandhoff erkrankt sind, auch noch Schweizer Schoki mitgebracht hat.
Und erstmalig hatten wir auch Besuch aus Spanien. Die spanische Familie Jorge mit ihrem Sohn Erik, die im Moment in Berlin lebt, und unsere Freunde aus Mallorca, die Mendozas mit Rodrigo und Yago. Rodrigo leidet wie Dario an juvenilem Sandhoff. So ließ es sich gut verbinden, dass er sich für einen individuellen Heilversuch mit Tanganil in München vorstellte und anschließend zu unserem Familientreffen kam. Damit sie den deutschen Vorträgen auch folgen konnten, übernahm Petra Kleinhans, Schwester und Assistentin in der Villa Metabolica, die in Argentinien geboren wurde, die Übersetzung. Bürgermeister Adolf Bauer begrüßte die Gäste in Würzburg.
Für Samstag hatten wir ein Vortragsprogramm zusammengestellt, um die Familien in medizinischen Fragen auf den neuesten Stand zu bringen. Eine besondere Freude und Ehre war es, dass Professor Konrad Sandhoff mit seiner Frau Karin an unserem Treffen von Anfang an teilnahm. In seinem Vortrag erzählte Konrad Sandhoff nicht nur, wie er mit seinem Forscher-und Entdeckungsdrang, aber auch mithilfe eines kleinen Zufalls, zum Namensgeber des Morbus Sandhoff wurde. Bis zum heutigen Tag verfolgt Konrad Sandhoff die Entwicklungen und Forschungen auf dem Gebiet der lysosomalen Speicherkrankheiten und gibt seinen Kollegen wichtige Tipps und Hinweise.
Dr. Tatiana Bremova berichtete von ihren Studien und Heilversuchen mit Acetyl-DL-Leucin, besser als Tanganil bekannt. In Deutschland finden aktuell individuelle Heilversuche mit Tay-Sachs- und Sandhoff-Patienten statt. Drei Mitglieder unserer Selbsthilfegruppe sind dabei. Eine offizielle Studie gibt es für unsere Krankheit aktuell nicht. Doch schon im nächsten Jahr soll es eine internationale Studie auch für die GM-2-Gangliosidosen geben. Wir werden hierzu informieren.
Einen ganz neuen Ansatz stellte uns Professor Rudolf Martini von der Neurologischen Universitätsklinik Würzburg vor. Professor Martini betreibt Grundlagenforschung in Sachen Entzündungsprozesse im zentralen Nervensystem und dem Gehirn, insbesondere für Multiple Sklerose. Dabei fand sein Team heraus, dass auch bei anderen Krankheiten Entzündungsprozesse im Gehirn den Krankheitsverlauf negativ verstärken oder beschleunigen können. Hier können durch Modulation des Immunsystems Erfolge erreicht werden. Und das mit Medikamenten, die für andere Krankheiten längst auf dem Markt sind, also nicht erst in die Studien müssen. In Mausmodellen funktioniert das schon sehr gut bei der als Kinderdemenz bekannten NCL, die wie Tay-Sachs und Sandhoff auch eine lysosomale Speicherkrankheit ist.
Zum Abschluss stellte uns Dr. Eugen Mengel von der Villa Metabolica in Mainz, die Gründe vor, warum klinische Studien leider so lange dauern und was alles geklärt werden muss. Dann gab er uns einen Überblick über die derzeitigen Forschungsaktivitäten und Medikamentenstudien für Tay-Sachs und Sandhoff weltweit. Vor allem die Entwicklung eines neuen und viel effektiveren Substrathemmer als das bisher im off Label eingesetzte Miglustat findet Mengel sehr spannend. Der Wirkstoff gehe im nächsten Jahr in den USA in die Phase-1-Studie und hat scheinbar weniger Nebenwirkungen. Auch der Wirkstoff Arimoclomol könnte für GM2 interessant sein, derzeit laufen Studien bei Gaucher-Patienten. Wir arbeiten zusammen mit der Villa Metabolica daran, dass diese Studien schnellstmöglich nach Europa kommen, bzw. auch für unsere Krankheiten geöffnet werden.
Im Anschluss gab es eine kleine Diskussion zwischen Medizinern, Forschern und Eltern, warum die seltenen Krankheiten so schleppend beforscht werden. Es geht dabei wie so oft leider ums fehlende Geld, aber auch um das Ansehen, das sich ein Wissenschaftler erwerben kann, wenn er bei einer bekannten, häufigen Krankheit Erfolge vorweisen kann. Erfolge bei einer seltenen Krankheit, die kaum einer kennt, seien weit weniger Karriere-fördernd.
Im Namen des Vereins appellierte Folker Quack auch deshalb an die Familien, das Schicksal ihrer Kinder nicht zu verbergen, sondern öffentlich zu machen und aus dem Schatten zu treten, um Aufmerksamkeit und Spendengelder zu bekommen. Damit könnten wir dann durchaus Impulse auch in die Forschung geben, unsere Krankheiten bei dem einen oder anderen Projekt zumindest mitzudenken oder in Patenschaft zu nehmen, in die eine oder andere Medikamentenstudie aufzunehmen. Auch dafür kämpfe der Verein „Hand in Hand“.
Zwischen den medizinischen Vorträgen gab es noch ein Podium zum Thema Pflege und Recht. Darauf diskutierten unser Vereinsmitglied Igor Kats, der auf Sozialrecht und Pflege spezialisierte Rechtsanwalt Philip Koch und die Kinderkrankenschwester Susanne Hofmann, die mit „KIWI zu Hause“ eine Pflege für kranke und pflegebedürftige Kinder im häuslichen Umfeld ins Leben gerufen hat. Dabei wurde klar, dass uns zustehende Hilfsmittel und Pflegeleistungen oft erkämpft werden müssen, was betroffenen Familien zusätzlich Zeit und Kraft kostet, wenn man keine juristische Unterstützung hat.
Ebenfalls besonders wertvoll war es, dass in den Pausen und am Abend betroffene Familien, Ärzte und Forscher sich in Ruhe austauschen konnten.
Sehr gefreut haben wir uns über das breite Interesse von Medizinern und Therapeuten aus Würzburg. Eröffnet wurde der medizinische Teil mit einem Grußwort von Professor Helge Hebestreit, dem Sprecher des Zentrums für seltene Erkrankungen und stv. Direktor der Universitätskinderklinik. Helge Hebestreit engagiert sich für seltene Erkrankungen, unterstützt die Selbsthilfearbeit und arbeitet intensiv an einer besseren Vernetzung der Unikliniken, um den Patienten mit seltenen Erkrankungen besser helfen zu können.
Der Zuspruch der Familien, die viele Unterstützung bei der Tagung, der Zusammenhalt, den wir spüren, ist für uns der größte Lohn für die Arbeit, die in so einem Treffen steckt.
Wenn wir dann sehen, wie am Abend unsere adulten Patienten und Vereinsmitglieder, die sich teilweise erst hier in Würzburg kennen lernten, zusammensitzen, sich austauschen und zusammen lachen, wissen wir noch einmal mehr, es war gut, dass wir auch die erwachsenen Betroffenen in unsere Gruppe aufgenommen haben. Bei ihnen schlägt die Krankheit manchmal noch ganz andere Kapriolen als bei den Kindern, aber gegenseitig können wir sehr viel voneinander lernen.
Das ganze Treffen wurde von der Fotografin Birgit Walter-Lüers begleitet. Ehrenamtlich und aus Leidenschaft dokumentiert sie unsere Treffen, wobei ihr immer wieder fotografische und emotionale Meisterwerke gelingen. Wir sind gespannt auf ihre Bilder von diesem Jahr. Und ein Höhepunkt der ganz besonderen Art war für die Kinder der Auftritt des Märchenerzählers Raphael, alias Uli Lorey, beim Kinderprogramm. Er verzauberte unsere Kleinen, während die Eltern den Vorträgen lauschten.
Das wichtigste an diesem Wochenende aber waren die Begegnungen der Familien, es herrscht immer ein ganz großer Gleichklang, Verständnis und eine von Vertrauen geprägte Gemeinsamkeit. Diese Gemeinschaft macht uns stark, zusammen können wir Tay-Sachs und Morbus Sandhoff besiegen.
Möglich wurde das Treffen auch durch die Projektförderung der Barmer und der Stiftung „Kindness for Kids“, sowie Spenden der Stadt Würzburg und der Aktion „einfach.gut.machen“ der Sparkasse Mainfranken. Dadurch mussten die Familien nur einen kleinen Eigenbeitrag leisten. Wir danken unseren Kinderbetreuerinnen Susanne Hofmann, Nadja, Ivonne und Lara. Und dem Team des Hotel Maritim in Würzburg, das sehr einfühlsam und flexibel unsere nicht alltägliche Tagung begleitet hat.
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