Die Familie wächst und hält zusammen – Frische Informationen zu neuen Studien – Auch Eltern lange verstorbener Kinder kamen zum Treffen
Die Familie wächst und sie wächst zusammen. 19 betroffene Familien und Patienten mit Tay-Sachs und Morbus Sandhoff kamen zu unserer Familienkonferenz ins Würzburger Maritim-Hotel. Neben dem so wichtigen persönlichen Austausch erfuhren sie neues von aktuellen Forschungsansätzen, Behandlungsoptionen bei der Epilepsie und bekamen Informationen aus erster Hand zu geplanten Medikamentenstudien.
Am Donnerstagabend trafen sich schon die ersten Familien mit unserer Fotografin Birgit Walther-Lüers und Steffen Walther beim Italiener neben dem Maritim-Hotel.
Beim Ausflug zur Alten Mainbrücke am Freitagmittag waren wir dann fast schon komplett. Hier gibt es die erste rührende Geschichte zu erzählen. Als wir mit unseren Rollstühlen und Rehabuggies einen kleinen Stau am Eingang des Traditionslokals „Alte Mainmühle“ verursachten, erkundigte sich ein Tourist, der gerade seinen Brückenschoppen genoss, nach unserer Gruppe und der Erkrankung unserer Kinder. Birgit Walther-Lüers erzählte ihm ein wenig und der Mann drückte ihr spontan 50 Euro in die Hand – für die Kinder.
Schön und berührend war das Welcome-Dinner in der fränkischen Weinstube. Die Familien fielen sich in die Arme, einige hatten sich ein Jahr nicht mehr gesehen, andere waren zum ersten mal dabei und wurden gleich in unsere „große Familie“ aufgenommen. Auch einige Referenten waren schon gekommen, uns kennen zu lernen. Würzburgs Bürgermeisterin Marion Schäfer-Blake fand sehr einfühlsame Worte. Ein schöner, ein intensiver und sehr emotionaler Einstieg in unsere Konferenz, denn es waren auch Familien dabei, die ihr Kind leider schon verloren haben und dennoch den Mut hatten nach Würzburg zu kommen.
Samstag um zehn war es dann soweit: Folker und Birgit begrüßten alle Familien und unsere Gäste im großen Barbarossa-Tagungsraum des Maritim-Hotels. Zu unseren Gästen gehörten Gabi und Wolfgang Grillenberger von unserer befreundeten Selbsthilfegruppe Niemann-Pick. „Ihr habt uns damals mit offenen Armen aufgenommen, als wir die Diagnose hatten und es noch keine Selbsthilfegruppe für unsere Krankheit gab“, sagte Folker. Die Erfahrungen beim Familientreffen von Niemann-Pick haben mit dazu beigetragen, dass wir den Weg einer eigenen Selbsthilfegruppe gegangen sind. Wir haben soviel gemeinsam, waren wir uns nach dem Treffen einig. Wir müssen und werden weiter zusammen arbeiten.
Birgit Walther-Lüers und Steffen Walther gehören nahezu von Anfang an zu unserer Familie. Birgit fotografierte das erste Mal bei der Europäischen Familienkonferenz 2016 in Paris. Seitdem begleitet sie mit viel Gefühl und Empathie unsere Treffen. Und mit ihrer fotografischen Kunst, Augenblicke und Details einzufangen. Steffen filmte die Vorträge, so dass wir jederzeit Fragen zu den Vorträgen recherchieren und Informationen zur Verfügung stellen können. Beide arbeiten komplett ehrenamtlich für uns.
Birgit Hardt stellte anschließend die Familien vor. Seit dem letzten Treffen kamen fünf neue Familien dazu. Drei von ihnen waren gekommen. Eine weitere hatte zugesagt, musste aus akuten Krankheitsgründen leider wieder absagen. Harun und seine Eltern Leyla und Abdulcil waren schon in Madrid dabei gewesen, also keine Unbekannten mehr. Zum ersten Mal kam Nicole zu einem Familientreffen. Cecilie und Elmar folgten unserer Einladung. Ihr Sohn Jochen starb 1981 an infantilem Tay-Sachs. Eure Teilnahme war sehr gewinnbringend für uns und die Familien. Sehr tapfer auch die Teilnahme von Karin. Ihr Sohn Felix starb 2012 an Tay-Sachs. Beide Familien fanden erst nach dem Tod ihres Kindes zu unserer Gruppe. Beide bedauerten, dass es zu Lebzeiten ihrer Kinder so eine Vereinigung noch nicht gab und wollen uns jetzt mit ihren Erfahrungen unterstützen. Wir finden das sehr berührend und danken ganz herzlich.
Am Samstag vormittag stand dann die tägliche Hilfe und mögliche Unterstützung im Vordergrund. Der Bundesverband Kinderhospiz hatte uns mit Marion Werner und Simone Filip sehr kompetente und sympatische Vertreterinnen geschickt. Beide wollen unsere Arbeit weiter begleiten und unterstützen. Das Kinderpalliativteam war
mit dem Kinder- und Jugendarzt und Palliativmediziner Dr. Matthias Krueger und den Palliativ-Fachrkräften Christine Kroschewski und Sonja Kneuer gut vertreten. Zudem hatten wir noch unseren Sozialanwalt Philip Koch eingeladen. Ein kompetentes Team, um Fragen der alltäglichen Hilfe und Unterstützung, Ansprüche und Angebote breit diskutieren zu können. Kinderkrankenschwester Petra Kleinhans fasste die wichtigsten Erkenntnisse der Europäischen Familienkonferenz in Madrid zusammen. Dort stand die Familie und der Umgang mit der Krankheit im Mittelpunkt eines ganzen Tages. Welche Hilfsmöglichkeiten gibt es, wie erfahren wir davon, was steht uns zu? Viele Fragen konnten an diesem Vormittag geklärt werden.
Parallel gab es für unsere adulten Patienten und deren Angehörige moderierte Gesprächsrunden zum Thema „Mit der Krankheit leben“. Alle nahmen dieses Angebot an. Die Resonanz war sehr gut. Wir danken den beiden Diplom-Psychologinnen Dr. Martina Hewig und Gabriele Schuster, die die Runden sehr einfühlsam und gut moderierten.
Sehr praktisch ging es nach dem Mittagessen weiter. Den medizinischen Fachteil des Treffens eröffnete Dr. Laila Arash-Kaps (Villa Metabolica, Uniklinik Mainz) mit einem Vortrag über unterstützende Therapien und Medikamente. Dabei ging es auch um gesunde Ernährung, sinnvolle Nahrungsergänzungsmittel und worauf man achten muss. Anschließend begrüßten wir Prof. Dr. Andreas Hahn. Er behandelt Epilepsien und lysosomale Speicherkrankheiten an der Universitäts-Kinderklinik Gießen. Zusammen mit Professor Neubauer hat er eines der Standardwerke zur Epilepsie bei Kindern verfasst. Mit Beispielvideos stellte er die unterschiedlichen Anfallsformen vor, welche Therapien in Frage kommen und berichtete von einer Studie zur Epilepsie bei GM2-Gangliosidosen.
Mit Spannung hatten viele Eltern und Patienten auf den Vortrag von Dr. Eugen Mengel (Villa Metabolica, Uniklinik Mainz) gewartet. Er enttäuschte uns nicht. Ausführlich berichtete er von laufenden und geplanten Studien zu Substrathemmern. So laufe aktuell eine Studie in den USA, die untersucht, ob der bereits erhältliche Substrathemmer Miglustat zusammen mit einer ketogenen Diät die Ablagerungen verringern kann. Auch die Forschungen an der Gentherapie machten Fortschritte. Spannend sei vor allem, was gerade in Frankreich passiere, so Mengel. Wir sollten sowohl die Forschungen in Cambrigde (GB) als auch in Paris im Auge behalten.
Abschließend stellte Dr. Laila Arash-Kaps die Arbeiten der Villa Metabolica an einer natürlichen Verlaufsstudie vor. Diese Studie wird von unserer Selbsthilfegruppe vielfältig unterstützt. Eine solche Studie ist extrem wichtig, um leichter in Medikamentenstudien zu kommen. Auch werden die Ergebnisse der Studien dadurch genauer.
Nach einigen stillen und gefühlvollen Gedenkminuten auf dem Balkon des Hotels hatten wir zum festlichen Dinner noch einen Überraschungsgast. Jörg Richter, der für „Care for Rare“ und „Hand in Hand“ einmal quer durch die USA geradelt war, kam und berichtete von seinen Abenteuern, Besuchen in Kinderkliniken und dem Treffen mit der Tay-Sachs-und-Sandhoff Selbsthilfegruppe NTSAD.
Im Anschluss gab es noch Zeit für das Wichtigste auf den Konferenzen, dem Austausch unter den Familien. Am Sonntag hängten wir noch unsere Mitgliederversammlung an, um auch den betroffenen Familien die Möglichkeit der Teilnahme zu geben.
Wir möchten uns ganz herzlich bei der SBK, der Siemensbetriebskrankenkasse, bedanken, die diese Konferenz im Rahmen der Selbsthilfeförderung sehr großzügig unterstützt hat. Für das Rahmenprogramm bekamen wir zudem Unterstützung vom Spendenportal der Sparkasse Mainfranken und der Aktion Helfer-Herzen des dm-Drogeriemarktes in Höchberg.
Hand in Hand wollen wir Tay-Sachs und Morbus Sandhoff besiegen. Herzförmige Ballons
schickten wir unseren verstorbenen Kindern in den Himmel.
Hier ene kleine Auswahl der Bilder unserer Konferenz. Die allermeisten sind von Birgit Walther Lüers:
Ganz toller Bericht.