Olivia mit ihren Eltern Krissi und Dario.

Vor einem Jahr berichteten wir anlässlich des Tags der Seltenen Erkrankungen 2021 vom Beginn der klinischen Studien für eine Gentherapie in den USA, die im November 2020 zugelassen wurde. Im Februar 2021 wurde das erste Kind behandelt. Damals schlossen wir mit dem Satz: „Es ist wie ein großes Geschenk. Der unermüdliche Kampf beginnt sich zu lohnen. Und wenn nur ein Kind aus unserer Gemeinschaft in die US-Studie aufgenommen und erfolgreich behandelt wird, dann hat sich unsere Arbeit mehr als gelohnt.“

Was wir da kaum zu hoffen wagten, ist vorige Woche wahr geworden. Die kleine Olivia aus der Nähe von Neumarkt in der Oberpfalz fliegt zur Gentherapiestudie von Sio nach Boston. Wie leider bei sehr vielen Kindern im Moment, wurde auch bei Olivia die Diagnose Tay-Sachs sehr spät gestellt. Coronabedingt werden U-Untersuchungen verschoben, oder Auffälligkeiten nicht immer gleich klinisch abgeklärt. Was fatal sein kann, denn die Gentherapie in den USA behandelt infantile Kinder nur, wenn sie maximal 20 Monate alt sind. Bei der gleichzeitig in Canada laufenden Studie sind es sogar nur 15 Monate.

Olivia war zum Zeitpunkt der Diagnose bereits 15 Monate alt, aber zum Glück haben ihre Eltern sofort Kontakt zu unserer Gruppe aufgenommen und es war klar, wir müssen schnell handeln und haben sofort alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Olivia dem Team von Sio vorzustellen. Natürlich ohne der Familie große Hoffnungen zu machen. Denn zum einen war die Chance, dass Olivia für die Studie geeignet ist und ausgewählt wird, sehr gering. Und zum anderen wissen wir, es ist noch eine Versuchsphase. Es gibt zwar erste Erfolge zu vermelden, doch wie bei Olivia die Therapie anschlägt, kann niemand so genau vorhersagen.

Trotzdem ist die Teilnahme eine große Chance für Olivia, für alle unsere betroffenen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen und für unsere ganze Gemeinschaft. Denn seit der Gründung unserer Selbsthilfegruppe vor sieben Jahren mussten wir uns schon von 13 Kindern für immer verabschieden. Wir haben uns geschworen, wir werden so lange weiter gegen die Gangliosidosen kämpfen, bis kein Kind mehr an Tay-Sachs, Morbus Sandhoff oder GM1 sterben muss.

Dr. Florian Eichler diskutiert 2021 bei unserer Familienkonferenz via Zoom mit Prof. Konrad Sandhoff.

Neben dem Austausch und der gegenseitigen Hilfe, war und ist die Forschung an Therapien deshalb eine unserer wichtigsten Aufgaben. Dazu pflegen wir intensiven Kontakte zu anderen Patientenorganisationen, zu Forschern auf der ganzen Welt und zu Pharmafirmen, die an Medikamenten und Therapien für unsere Krankheitsbilder arbeiten. Das war und ist nicht immer leicht, gelegentlich muss man dafür kämpfen, gehört und beachtet zu werden. Aber gerade bei Axovant und Sio waren wir immer willkommen. Einer der Forscher, Dr. Gavin Corcoran, war schon 2019 bei unserer Familienkonferenz in Würzburg dabei, der Prüfarzt der aktuellen Studie, Dr. Florian Eichler, konnte 2021 per Zoom-Konferenz zugeschaltet werden.

Und jetzt die Nachricht, dass unser jüngstes Mitglied Olivia geeignet ist und Mitte April mit ihren Eltern in die USA fliegt, um dort behandelt zu werden. Eine gute Nachricht, aber auch eine große Herausforderung für ihre Familie. Denn Olivia muss mit allen Nachuntersuchungen insgesamt vier Monate in Boston bleiben. Recht kurzfristig mussten ihre Eltern ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen und müssen auch größere finanzielle Einbußen hinnehmen, um diese Chance zu nutzen. Doch wer würde dies nicht auch für sein Kind tun, sagt Olivias Mama Krissi völlig zu Recht.

Wir wünschen der Familie, dass die Behandlung erfolgreich ist und sie eine gute Zeit in den USA haben. Wir helfen natürlich auch weiter, wo wir können. Vor allem aber drücken wir alle in der Gruppe ganz fest die Daumen, dass Olivia den Eingriff gut übersteht und die Therapie bei ihr einen großen Nutzen bringt. Vielen Dank auch an unseren medizinischen Beirat Dr. Eugen Mengel, der sofort bereit war zu helfen, Olivia in diese Studie zu bekommen.