2022 kam PD Dr. Mathias Schmidt zu unserer Familienkonferenz nach Würzburg, um die Entwucklung einer Enzymersattherapie für die GM2-Gangliosidosen vorzustellen. Schmidt arbeitet in der klinischen Entwicklung von JCR Pharmaceuticals.                                                                                                                                                                                          Foto Patty Varasano

Bei vielen lysosomalen Speichererkrankungen ist ein Gendefekt, der zu einer Fehlfunktion von entsprechenden Enzymen im Lysosom (dem Recyclingapparat der Zelle) führt, Ursache für die Erkrankung. Die Herstellung des intakten Enzyms mithilfe gentechnischer Methoden und die regelmäßige Infusion sind bei vielen lysosomalen Speichererkrankungen inzwischen zur Standardtherapie geworden. Teilweise hat dies zu beachtlichen Erfolgen geführt.

Warum wurde nie eine Enzymersatztherapie für die Behandlung der Tay-Sachs und Sandhoff Erkrankung entwickelt? Eine deutliche Einschränkung der Enzymersatztherapie ist, dass manche Enzyme nur sehr schwer herstellbar sind und dass die Enzyme zu groß sind, um in das zentrale Nervensystem zu gelangen. Der Grund dafür ist die Blut-Hirn-Schranke: Sie verhindert, dass viele Chemikalien, Viren oder Bakterien ungehindert ins Gehirn gelangen und dort möglicherweise Schaden anrichten. Leider lässt die Blut-Hirn-Schranke auch keine großen Moleküle, wie zum Beispiel therapeutische Enzyme, ins Gehirn passieren.

JCR Pharmaceuticals hat seit über 15 Jahren an Technologien geforscht, um Enzyme über die Blut-Hirn-Schranke zu transportieren. Ein Ansatz, der letztendlich zum Erfolg geführt hat, war die Enzyme mit einem Antikörper zu fusionieren, der an einen Rezeptor an der Blut-Hirn-Schranke bindet und zum Überwinden dieser Barriere führt. Da das Gehirn das am besten durchblutete Organ ist und der Abstand von Zellen im Gehirn bis zur nächsten Blutkapillare nur zwei bis drei Zellschichten beträgt, erreichen die Enzyme recht gut ihre Zielzellen im Gehirn.  Man kann diese Fusionsproteine symbolisch mit Trojanischen Pferden vergleichen. Im Jahr 2021 wurde das erste dieser Fusionsproteine zur Behandlung von MPS II (Hunter Syndrom) in Japan erfolgreich zugelassen.

JCR hat nun dieselbe Technologie angewendet, um ein entsprechendes Fusionsprotein zur Behandlung von Tay-Sachs und der Sandhoffschen Erkrankung zu entwickeln. Das Protein trägt den Namen „JR-479“. In Tiermodellen der Tay-Sachs-Erkrankung hat JR-479 zu beachtlichen Erfolgen geführt. JCR ist nun dabei, alle vorklinischen Studien abzuschließen und einen Produktionsprozess zu etablieren, um die klinische Entwicklung von JR-479 zu beginnen. Aus der Erfahrung mit anderen Enzymersatztherapien wird davon ausgegangen, dass die Therapie alle sieben bis vierzehn Tage wiederholt werden muss.