Wir freuen uns mitteilen zu können, dass unser neuestes Projekt “PRADO” zum 01. März dieses Jahres startet. Es geht um die psychischen und psychiatrischen Aspekte bei einer Tay-Sachs- oder Sandhoff-Erkrankung. Teilnehmen können alle Patientinnen und Patienten, die mindestens zwölf Jahre alt sind und eine juvenile oder adulte Verlaufsform haben. Hand in Hand und SphinCS erweitern damit die „8 auf einen Streich“ Studie zum natürlichen Verlauf bei Gangliosidosen um psychiatrische Aspekte.
Dieser Studienarm soll helfen, bei allen GM2-Patienten mit juvenilen und adulten Verläufen, die Kleinhirnstörungen und deren Auswirkungen besser zu verstehen. Die PRADO-Studie hat das Ziel sowohl vorbeugende als auch therapeutische Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. PRADO ist deshalb nicht auf Betroffene mit einer psychiatrischen Diagnose beschränkt.
PRADO ist ein weiterer Schritt, die Gangliosidosen besser zu verstehen, Symptome und deren Bedeutung früher zu erkennen und besser daraus reagieren zu können. Vor allem für unsere jugendlichen und erwachsenen Patientinnen und Patienten ist PRADO eine große Chance, besser mit ihrer Krankheit umgehen zu können.
Bei unserer Familienkonferenz 2022 hatten wir mit einem Workshop mit Dr. Saba Harrach aus Wien, den Anfang gemacht und die wichtigen psychischen und psychiatrischen Aspekte, vor allem bei den adulten Verläufen, unserer Erkrankungen thematisiert.

Prof. Jürgen Deckert
Mit Professor Jürgen Deckert von der Universität Würzburg haben wir nun auch einen erfahrenen Psychiater und Wissenschaftler an unserer Seite. Viele unserer Familien haben ihn bei der Familienkonferenz im vergangenen Jahr kennengelernt.
In einer Interimanalyse der „8 auf einen Streich“ Studie unter Beratung durch Prof. Deckert zeigte sich, dass
> mehr als die Hälfte der GM2-Erwachsenen schwerwiegende psychiatrische Diagnosen aufweisen
> GM2-Patienten regelmäßig akute und krisenhafte Psychosen durchmachen, die eine stationäre Behandlung nach sich ziehen
> Ärzte – sowohl Neurologen als auch Psychiater – häufig keinen Zusammenhang zwischen Psychose und der GM2-Gangliosidose erkennen
> Standart-Psychopharmazeutika häufig wenig Wirkung, aber um so mehr Nebenwirkungen zeigen
Neue Erkenntnisse der Neurowissenschaften
In der Vergangenheit wurde angenommen, dass das Kleinhirn insbesondere Bewegungen und Sprechen reguliert. Neue Erkenntnisse der Neurowissenschaften zeigen aber auf, dass das Kleinhirn nicht nur für die Feinabstimmung der Motorik und des Sprechens, sondern auch für die Feinabstimmung von Affektionen und Kognition zuständig ist. Insbesondere hat das Kleinhirn eine steuernde und integrative Aufgaben bei so komplizierten Vorgängen wie des Arbeitsgedächntis, des Wechsel der Aufmerksamkeit, der Handlungsplanung, der Entscheidungsfindung, Beurteilung von Realität, Gefahrensituationen und Gefühlen sowie der Steuerung von Gefühlen der Angst. Bricht die integrative Funkion des Kleinhirns auf Affektion und Kognition ganz zusammen entwickelt sich eine akute Psychose, die häufig als schizo-affektive oder bipolare Psychose diagnostiziert wird. Mit unter gehen Schwächen und Störungen in genannten Kleinhirnfunktionen der akuten Psychose voraus.
Hier setzt die erweiterte Datenerhebung im Rahmen der 8 auf einen Streich Studie an. Symptome der Motorik und des Sprechens werden bereits erhoben. Nun wollen wir auch die kognitiv-affektiven Kleinhirn-Befunde mit einem validierten Interviewbogen erfassen.

Dr. Eugen Mengel
Ziele der erweiterten Datenerhebung bei GM2-Patienten sind,
> Manifestation, Komplikationen und Verlauf von psychiatrische Erkrankungen zu charakterisieren
> Frühzeichen und Schwächen vor der psychiatrischen Manifestation zu erkennen und zu beschreiben
> Zu erkennen, was sich in der bisherigen Behandlung als wirksam oder unwirksam erwiesen hat
> Von den Patienten und deren Umfeld zu erfahren, welche Behandlung positiv und welche negativ empfunden werden.
Ergebnisse dieser Studie könnten helfen, die neuropsychiatrische Diagnostik und Früherkennung zu verbessern. Ebenso die Daten dazu beitragen, präventive Behandlungsstrategien zu entwickeln, um das Auftreten akuter Psychosen zu verhindern.
Wir denken darüber hinaus, dass die GM2-Gangliosidose eine Modellerkrankung ist, um Psychosen und deren Beziehung zu Kleinhirnfunktionen besser zu verstehen.
Im Rahmen der Studie wird im ersten Teil die individuelle neuropsychiatrische Vorgeschichte erfragt.
Im zweiten Teil werden drei verschiedene Tests in Form von Interviews und Fragebögen durchgeführt. Dabei geht es um die besonderen Kleinhirnfunktionen, die in den letzten Jahren erst verstanden wurden.
Dass das Kleinhirn die Bewegungen und das Sprechen reguliert, ist seit langem bekannt. Neu ist, dass das auch die Feinabstimmung des Arbeitsgedächtnisses, der Wahrnehmung der Wirklichkeit, der Handlungsplanung, der Aufmerksamkeit, der Urteilsfähigkeit und der Entscheidungsfähigkeit auch im Kleinhirn stattfindet.
Beim Mini-Mental-Test werden dann praktische Übungen durchgeführt. Ergänzt werden die beiden Tests mit einem Fragebogen zu persönlichen Ängsten.
Für weitere Fragen stehen wir gerne zur Verfügung. Schreibt einfach an
info@tay-sachs-sandhoff.de
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