Unsere gemeinsam mit dem Forschungsinstitut SphinCS entwickelte Register-Studie zur Erfassung der klinischen Manifestationen von acht Gangliosidosen*  zeigt erste schöne Erfolge. Inzwischen wurden 33 Patientinnen und Patienten in die Studie aufgenommen. Eine erste Auswertung umfasst 26 Patientinnen und Patienten. Anhand eines extra für die Studie konzipierten „8 in 1-Score“ wurde der Schwergrad der Erkrankung erfasst. Zudem wurde unter anderem das erstmalige Auftreten neurologischer Symptome, die von Eltern und Ärzten beobachtet wurden, sowie die zeitliche Verzögerung in der Diagnosestellung und die phänotypische Charakterisierung der Patienten untersucht. Zudem wurden die Ergebnisse der neurologischen Untersuchungen (Entwicklung, Ataxie, Geschicklichkeit) und die körperlichen und kognitiven Einschränkungen erfasst und ausgewertet.

Die Auswertungen kommen zum Ergebnis, dass die Eltern das Erstsymptom, akustische Startles, deutlich früher als die behandelnden Ärzte erkennen, die dann die Entwicklungsstörung und Hypotonie sehen. Im Schnitt beträgt die zeitliche Verzögerung bis zur Diagnosestellung 3.16 Jahre (zwischen 0.69 und 6.25) Jahre.

Diese Daten sensibilisieren behandelnde Ärzte, Therapeuten und Betreuer und ermöglichen  eine frühere Diagnose und fachliche Beratung der Eltern. Daneben dienen die Daten dazu bessere, quantitativ zu erfassende Endpunkte für zukünftige klinische Studien zu bestimmen. Die bisherigen Daten zeigen eine genauere Charakterisierung der Phänotypen insbesondere wird der bisher kaum beschriebene spät-infantile Phänotyp, der bei acht Patienten vorliegt, charakterisiert.

Besonders erfreulich ist, dass ein wissenschaftlicher Aufsatz mit den ersten Ergebnissen von der renommierten Fachzeitschrift „Genetics in medicine“ angenommen und veröffentlicht wurde. Über 15 Millionen Forscherinnen und Forscher auf der ganzen Welt können unseren Bericht hier lesen. 

Dabei sparten die Gutachter bei der Annahme nicht mit Lob an der Studie. Außerdem wurde ein von Dr. Laila Arash-Kaps verfasstes Abstract zur Studie bei der 35. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Stoffwechselstörungen angenommen und wird nun dort präsentiert.

Diese Veröffentlichungen machen auch unsere Erkrankungen bekannter, bringen sie Ärzten und Forschern näher – und das war ja eines unserer Ziele.

Wir danken Prof. Markus Ries (Uniklinik Heidelberg), Dr. Eugen Mengel, Dr. Laila Arash-Kaps, Dr. Yasmin Amraoui, Dr. Grecia Mendoza Rios und Petra Kleinhans (alle SphinCS) für die hervorragende und erfolgreiche Zusammenarbeit. Ein wirklich sehr schönes und erfolgreiches Beipiel, wie Forscher, Kliniker und die Selbsthilfe zusammen und auf Augenhöhe einfach mehr erreichen können.

*(GM-2-Gangliosidosen (M.Tay-Sachs, M.Tay-Sachs-Variante B1, M. Sandhoff), GM2-Activator Mangel, GM-1-Gangliosidosen, M. Morquio B (Mukopolysaccharidose Typ IV B), Sialidosen und Galaktosialidosen) NCT04624789)

Hier das ins Deutsche übersetzte Abstract des im „Genetics in medicine“ veröffentlichten Artikels:

Zweck: Gangliosidosen sind eine Gruppe von autosomal rezessiv lysosomal vererbten neurogenetischen Erkrankungen mit Speicherstörungen, die normalerweise mit fortschreitender Makrozephalie, Entwicklungsverzögerung und Regression einhergehen, was zu erheblicher Morbidität und vorzeitigem Tod führt. Eine quantitative Definition des natürliches Verlaufs würde die klinische Entwicklung spezifischer Therapien unterstützen und ermöglichen.

Methoden: Einzelkrankheitsregister von 8 Gangliosidosen (NCT04624789). Querschnittsanalyse von Ausgangsdaten bei N = 26 Patienten. Primärer Endpunkt: Schweregrad der Erkrankung, bewertet durch das 8-in-1 Punktzahl.

Sekundäre Endpunkte: erstes neurologisches Zeichen oder Symptom, das (1) von den Eltern und (2) von beobachtet wird Ärzte, diagnostische Verzögerung sowie phänotypische Charakterisierung.

Tertiäre Endpunkte: neurologische Ergebnisse (Entwicklung, Ataxie, Geschicklichkeit) und Behinderung.

Ergebnisse: Der 8-in-1-Score erfasste den Schweregrad der Erkrankung quantitativ. Eltern erkannt Initiale Manifestationen (Schockreaktionen) früher als Ärzte (motorische Entwicklungsverzögerung u Hypotonie). Die mediane diagnostische Verzögerung betrug 3,16 (Interquartilbereich 0,69–6,25) Jahre. Insgesamt 8 Patienten mit spätinfantilen Phänotypen.

Schlussfolgerung: Die Daten in diesem Register schärfen das Bewusstsein für diese seltenen und tödlichen Erkrankungen, um die Behandlung zu beschleunigen Diagnostik, Beratung betroffener Familien, quantitative Endpunkte für klinische Studien definieren, und können als historische Kontrollen für zukünftige therapeutische Studien dienen. Wir bieten weitere Einblicke in die seltener spätinfantiler Phänotyp für GM2-Gangliosidose. Längsschnitt-Follow-up ist geplant.

© 2022 American College of Medical Genetics and Genomics. Herausgegeben von Elsevier Inc. Alle Rechte vorbehalten.

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