Familienkonferenz 2020.

Bei der diesjährigen Familienkonferenz in Würzburg gab es trotz Abstand viel Gefühl, Zusammenhalt und spannende Neuigkeiten. Noch in diesem Jahr startet eine Studie für einen Substrathemmer für Patienten mit Tay-Sachs und Sandhoff. Zusammen mit dem privaten Forschungsinstitut SphinCS haben wir bereits 18 Patientinnen und Patienten in unsere große Registerstudie aufgenommen.

Lange haben wir überlegt, ob trotz Corona eine Familienkonferenz möglich sein kann. Fünf neue Familien sind in der Corona-Zeit zu unserer Gruppe hinzugekommen, sieben seit dem letzten Treffen. Ihre Familien wollten endlich die anderen kennenlernen, mit denen sie über unsere digitalen Austauschplattformen schon viel kommuniziert haben. Und auch die anderen Familien wünschten nach dieser schweren Corona-Zeit ein Wochenende mit unserer Hand-in-Hand-Großfamilie, vermissten den persönlichen Austausch so sehr. Und nicht zuletzt gibt es einige Neuigkeiten von der Forschung, die wir mit unseren Familien diskutieren wollten. Nachdem auch unsere Ärzte einer Konferenz mit strengen Abstandsregeln zustimmten, das Hotel Maritim uns gleich zwei sehr große Veranstaltungsräume zur Verfügung stellte, gingen wir es an. Über das Feiertags-Wochenende vom 3. Oktober trafen sich 17 Familien mit sieben Ärzten und Forschern, sowie das gesamte SphinCS-Team zur 5. deutschen Familienkonferenz in Würzburg. Einige Familien mussten Corona bedingt leider absagen. Obwohl wir größtes Verständnis dafür haben, wir haben sie vermisst.

Birgit und Folker eröffnen die 5. deutsche Familienkonferenz.

Im Vorfeld mussten wir ein strenges Corona-Hygienekonzept erstellen, denn zum einen gab es in Würzburg aufgrund hoher Infektionszahlen strengere Auflagen und zum anderen wollten wir nichts unversucht lassen, unsere Familien bestmöglich zu schützen. Vielen Dank an alle Teilnehmer, dass ihr so gut mitgemacht habt. Denn es wurde eine sichere und trotzdem eine sehr schöne und emotionale Konferenz.

Während wir bislang stets in der gemütlichen fränkischen Weinstube des Hotels unseren Willkommens-Abend feierten, mussten wir coronabedingt diesen Abend in den großen Barbarossa-Saal des Maritim-Hotels verlegen. Das tat der guten Stimmung aber keinen Abbruch. An den großen runden Tischen konnten sich die Familien, ob neu oder schon lange dabei, mit dem nötigen Abstand gut austauschen. oder kennen lernen.

Gesprächsrunde mit unseren Experten.

Der Samstag Vormittag gehörte dann den Forschungs-Updates. Dr. Eugen Mengel und Prof. Michael Beck (beide SphinCS) erläuterten die grundlegenden Wirkmechanismen der Substratreduktion und der Gentherapie. In diesen beiden Therapieformen liegt derzeit unsere größte Hoffnung. Wobei Professor Beck betonte, dass die Gentherapie eine sehr komplizierte Technologie sei. Professor Andreas Hahn von der Universitätsklinik Gießen berichtete von ersten Ergebnissen der IB-1001-Studie. Allerdings ist sie für Tay-Sachs und Sandhoff noch nicht abgeschlossen. Erste Ergebnisse gibt es von Niemann-Pick. Insgesamt glaubt Professor Hahn aber, dass die Modifikationen, die an dem bisherigen Wirkstoff vorgenommen worden seien, vor allem die längerfristige Wirksamkeit des Medikaments erhöhe.

Dr. Eugen Mengel berichtete, von dem bereits im Off-Label-Use von vielen Tay-Sachs- und Sandhoff-Patienten angewendete Miglustat und dem Unterschied zum neuen Wirkstoff Venglustat. Im Mausmodell wurde dies bereits analysiert, doch der Mensch sei keine Maus.

Professor Hahn stellte die Amethist-Studie mit Venglustat vor, mit der in zirka drei Wochen in Gießen begonnen werde. Sie

Professor Hahn berichtete von zwei aktuellen Studien.

wendet sich vor allem an adulte Tay-Sachs und Sandhoff-Patienten. Sie dürfen aktuell an keiner anderen Studie teilnehmen und auch keinen anderen Substrathemmer oder Acetyl-Leucin einnehmen. Aber auch einige andere Medikamente (z.B. einige Psychopharmaka) müssten vorher ausgeschlichen werden. Es bleibe spannend, ob unter diesen Auflagen genügend Patienten rekrutiert werden können. Allerdings findet die Studie weltweit statt. Parallel werde der Wirkstoff an fünf juvenilen Patienten der in die Studie eingeschlossenen Krankheitsbilder getestet. Birgit betonte noch einmal, dass Hand in Hand schon lange und weiter  dafür kämpfe, dass diese viel zu geringe Zahl erhöht werde.

 

 

Videobotschaft von Emily McGinnis,, Patientenbeauftragte von Taysha.

Professor Michael Beck leitete ins Thema Gentherapie ein.

Videobotschaft von Dr. Gavin Corcovan von der US-Firma Axovant

 

 

 

 

 

 

 

 

Nachdem Professor  Michael Beck die unterschiedlichen Ansätze der Gentherapie sehr verständlich vorgestellt hatte, gaben uns Dr. Gavin Corcovan von der Firma Axovant und Emily McGinnis, Patientenbeauftragte von Taysha, per Videobotschaften ein Update ihrer Forschungen in den USA: In Sachen Tay-Sachs und und Sandhoff ist die Phase-III-Studie von Axovant derzeit von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA gestoppt. Es würden noch ein paar Informationen fehlen, berichtete Corcovan. Er sei aber sicher, dass spätestens im nächsten Jahr die Studie wieder aufgenommen werden könne. Den beiden bereits behandelten Kindern gehe es gut, sie seien  stabil und zeigten keine Nebenwirkungen. Sehr optimistisch ist McGinnis von Taysha,  noch in diesem Jahr mit der Studie ihrer Gentherapie beginnen zu können. Sie hätten mit Steven Gray und Berge Minassian herausragende Forscher für dieses Projekt gewinnen können und viel Erfahrung mit Gentherapien. Ein Teil des Teams von Taysha war an der Entwicklung des gentherapeutischen Medikaments Zolgensma gegen die spinale Muskelatrophie beteiligt.

Dr. Eugen Mengel stellt die „Acht auf einen Streich“-Studie vor,

Dr. Eugen Mengel stellte die „Acht auf einen Streich“-Studie vor, die die SphinCS zusammen mit unserer Selbsthilfegruppe „Hand in Hand gegen Tay-Sachs und Sandhoff“ auf den Weg gebracht hat. „Acht“ stehe dabei sowohl für die acht unterschiedlichen Krankheitsbilder der Gangliosidosen, wobei die GM-1-Gangliosidosen eingeschlossen wurden. „Acht“ stehe aber auch für „Achtung Gangliosidose“,  für mehr Achtsamkeit für die Krankheit, ihre Diagnostik und Therapie. Intention ist es, Gangliosidosen in ihrer Manifestation und ihrem Verlauf besser zu verstehen und die Krankheiten im Gesundheitssystem bekannter zu machen. Biomarker sollen validiert werden, um sowohl für die Diagnostik als auch für Studien nützliche Laborparameter zu bekommen. Dr. Mengel berichtete auch über erste Erkenntnisse der Studie.

Folker erläuterte, dass der Verein mit dieser Studie auch bessere Voraussetzungen für die Aufnahme  in Medikamenten-Studien schaffen wolle. Wichtig sei aber auch, dass wir, die Ärzte und Forscher die Krankheit und ihre Auswirkungen noch besser verstehen lernten.

Prof. Susanne Schneider-Pils präsentierte eine Trägerstudie.

Professor Susanne Schneider-Pils von der Universitätsklinik der LMU München bekräftigte die Nützlichkeit solcher Studien bei so seltenen Erkrankungen wie der unseren. Sie selbst präsentierte eine Trägerstudie, die derzeit an der LMU München läuft. Hier geht es darum, Auffälligkeiten bei Trägern der GM-2-Mutation zu erforschen. Vor allem auch Parallelen zur Parkinson-Krankheit würden analysiert.

So werde untersucht, ob Träger der Tay-Sachs- oder Sandhoff-Mutationen ein geringfügig höheres Risiko zum Beispiel im Alter an Parkinson zu erkranken haben. Die Studie wird auch an anderen Speicherkrankheiten, die wie Tay-Sachs und Sandhoff zur Familie der Sphingolipidosen gehören, durchgeführt. Teilnehmer an dieser Studie werden auf ihre Trägerschaft genetisch getestet.  Im Anschluss gab es eine rege Diskussion, inwieweit die Großelterngeneration der erkrankten Kinder auf ihre Trägerschaft untersucht werden sollten. In dieser Generation führe dies oft zu Belastungen oder Schuldfragen. Die seien zwar durch nichts zu rechtfertigen, lassen sich aber nicht immer vollständig vermeiden.

Workshop für erwachsene Betroffene.

Nach den Vorträgen teilten sich die Teilnehmer in zwei Workshops. In dem einen für die adulten Patienten diskutierte Dr. Eugen Mengel mit den Patienten und ihren Angehörigen über Psychopharmaka, die die Grundkrankheit triggern könnten, wie Professor Sandhoff, der selbst wegen des Corona-Risikos dieses Mal nicht teilnehmen konnte, erforscht hat. Aber auch Möglichkeiten die Mobilität zu verbessern waren ein Thema.

Im zweiten Workshop ging es um die pränatale Diagnostik, Pränatale Implantationsdiagnostik  und Geschwisterkinder. Professor Michael Beck gab eine umfassende Einleitung und Melanie Mende berichtete von ihren eigenen Erfahrungen als betroffene Mutter. Im Anschluss gab es eine sehr rege Diskussion, weil PID bislang nicht von den Kassen bezahlt wird und von Uniklinik zu Uniklinik wohl auch sehr unterschiedliche Kosten aufgerufen werden.

Familien können sich austauschen.

Doch die fachlichen Informationen, Vorträge und Diskussionen sind nur ein Teil unserer Konferenzen. Der große familiäre Zusammenhalt, der Austausch der Familien sind mindestens ebenso wichtig. Immer wieder sprechen unsere Familien von einer zweiten großen Familie, die ihnen bei der Bewältigung der Krankheit so sehr hilft. Dies beweist zum einen die Tatsache, dass immer öfter Großeltern mit zu den Treffen kommen. Aber auch, dass fast alle Familien, deren Kinder den Kampf gegen die Krankheit verloren haben, weiterhin zu den Treffen kommen und weiter mitarbeiten und beraten. Während der Corona-Zeit mussten wir uns von Mark und Viktoria verabschieden. Und obwohl es für sie sicherlich ein sehr schwerer Gang war, nahmen sowohl Beatrice, Wolfgang und Emilia, die Eltern und die Schwester von Mark, als auch Matheusz und Milena,  die Eltern von Viktoria, am Treffen teil. Da fiel es dann sehr schwer, die Corona-bedingten Anstandsregeln einzuhalten.

Um den Kindern zu gedenken gab es neben unserer Erinnerungsecke dieses Jahr auch berührende Videos, die an unsere kleinen Helden erinnerten. Vielen Dank Tanja und Melanie dafür.

Viel Spaß für die Kinder.

Für die Kinder hatten wir mit „Spiel und Spaß“ und dem Zauberer ZaPPaloTT wieder ein buntes Alternativ-Programm mit Indoor-Hüpfburg, Malen, Basteln und Zaubern angeboten. Und vor allem beim Auftritt vom ZaPPaloTT mischten sich auch ein paar Papis unters Publikum. Strahlende Kinderaugen, von betroffenen Kindern und Geschwistern, sind ein weiteres Ziel unserer Treffen.

Immer schön sind auch Aktionen unserer Familien, so hat Petra wieder kräftig genäht. Geschenke für die Kinder und Muttis und Hilfreiches für die Kinder, das gegen eine Spende für den Verein einen sehr großen Zuspruch fand.

In der Kinderbespaßung gab es wieder magische Momente mit ZaPPaloTT.

Beim Zauberer ZaPPaloTT waren alle Kinder gerne und begeistert dabei.

In die Konferenz integriert war unsere Mitgliederversammlung, an der auch ein paar unserer Gründungsmitglieder teilnahmen. Neben dem Rückblick und Kassenbericht, kündigten wir zwei Neuerungen an. Zum Einen planen wir künftig auch Zoom-Konferenzen unter den Mitgliedern – eine Art digitaler Stammtisch. Außerdem haben wir mit Markus Oppel einen professionellen Pflegeberater gewinnen können, der unsere Familien in allen Fragen rund um die Pflege beraten wird. Mit ihm werden wir in Kürze eine Zoom-Konferenz anbieten. Bei der nächsten Konferenz wird er gerne dabei sein. Auch er ist, wie schon unser Sozialanwalt Philip Koch, Mitglied unserer Selbsthilfegruppe geworden.

Petra hat wieder für alle unseren Betroffenen Überraschungsgeschenke genäht.

Gemeinsam das Schicksal meistern.

Zudem berichteten wir von einigen neu dazugekommenen Spendenaktionen, die wir auf der Webseite in Kürze vorstellen werden.  Großen Dank an Ralf Thees, der wieder über die gesamte Konferenz im Hintergrund agierte, dafür sorgte, dass die Technik flutschte und den Familien bei allen organisatorischen Fragen zur Seite stand. Und natürlich an unsere Fotografin Birgit Walther-Lüers, die wieder ganz viele zauberhafte Momente einfing und uns zur Verfügung stellte, Steffen Walther zeichnete für uns Videos der Familien auf, in denen sie von sich und ihrem Umgang mit der Krankheit berichteten.

Erinnerungsecke für unsere kleinen Helden.

Wir danken unseren Sponsoren, die es auch in diesem Jahr ermöglichten, dass wir den Eigenbeitrag der Familien gering halten konnten und ein abwechslungsreiches Programm auf die Beine stellen zu können. Unterstützt wurden wir über die Pauschalförderung der Gemeinschaft der Krankenkassen (GKV). Ein besonderer Dank gilt der Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK), die unsere Treffen von Anfang an im Rahmen der Projektförderung unterstützt. Neu war in diesem Jahr die Town & Country-Stiftung, die uns einen Stiftungspreis für die Konferenz zuerkannte.

Unser treuer Helfer während der gesamten Konferenz: Gründungsmitglied Ralf Thees.

Vielen Dank allen die gekommen sind, und dieses Wochenende zu einem ganz besonderen gemacht  haben, von dem wir alle noch lange zehren werden. Da einige Familien dieses Jahr nicht teilnehmen konnten und wir uns alle bald wieder treffen möchten wird die nächste Tay-Sachs und Sandhoff Konferenz bereits vom 27.- 30.. Mai 2021 stattfinden.

 

Und hier noch eine kleine Fotogalerie: